Bericht über einen speziellen Flug!

Planung ist fast Alles
Die Vorbereitungen an diesem Samstagmorgen für einen erfolgreichen Flugtag laufen wie immer,  nach dem gleichen Vorgehen ab. Dass der Tag am Ende nicht wie alle anderen abgeschlossen werden wird, weiss ich beim Frühstück noch nicht. Nach ein paar flotten Sprüchen mit Sandra, den Rucksack mit allen wichtigen Werkzeugen und Geräten gepackt und einem kurzen Kontrollblick in unserem Garten, fahre ich nach Altenrhein an den Segelflugplatz. Wir bauten noch den Astir zusammen, denn dieser war aus der Trainingswoche in Feldkirchen noch im Anhänger. Dort in Feldkirchen gelangen mir mit dem Astir einige ganz schöne Flüge. Am letzten Tag erreichte ich über dem Gerlitzen eine Höhe von 2‘800 ASL, 3:21 Stunden Flug und 65 km Distanz. Eigentlich wollte ich an jenem Tag einen 5-Stünder hinlegen, die Verhältnisse hätten es zugelassen. Ich hätte locker noch 2 Stunden fliegen können. Leider hat das meine Blase nicht zugelassen, und die Flasche, die ich für diesen Fall vorsorglich mitnahm, liess sich einfach nicht recht in Position bringen. Also flog ich zur Landung, packte den Astir ein und fuhr am späten Nachmittag noch von Feldkirchen zurück, denn ich musste mich am Folgetag noch mit Aufgaben zu Hause befassen. Irgendwie, dachte ich mir, werde ich den Fünfstünder eben im Alpstein nachholen. Jedenfalls war die Woche in Feldkirchen ein voller Erfolg, und ich habe viel gelernt. Ich danke allen Teilnehmern, Guido, Susi, Roman, Lukas und Fabian für die Hilfe und die wunderschöne Woche. 

Zur rechten Zeit am rechten Ort
Nun heute, nach dem Briefing in Altenrhein stand der Tagesplan also fest. Eigentlich wollte ich den verpassten 5-Stünder heute nachholen. Die Startliste erlaubte mir einen Flug vor dem Mittag. Ich wusste schon, dass das für einen guten Thermikflug im Alpstein noch zu früh war, und es wahrscheinlich am Gäbris kein Weiterkommen geben würde. Versuchen wollte ich es aber trotzdem, fand natürlich keinen einzigen Aufwind und so wurde das Mittagessen mit meinen Kollegen im Hangar zur Pflicht. Am Nachmittag ab 13:30 war ich nicht der Erste für den Schlepp, sondern eher der Letzte um 15:41. Da war mir schon klar, dass ich meine geheime Hoffnung, den Fünfstünder nachzuholen, aufgeben musste und ich mich auf einen schönen nachmittäglichen Genussflug einstellen durfte. Auch das freute mich selbstverständlich, also Start in Altenrhein und Ausklinken irgendwo um den Gäbris, etwa 1‘600 ASL. Und tatsächlich, nach ein paar Kreisen und Suche nach dem richtigen Ort, stieg ich schon mit etwa einem halben Meter pro Sekunde. Das ist doch immerhin Etwas,  dachte ich mir, und zog die Kreise weiter um den Gäbris. Etwas versetzt, wegen der Bise, zog es mich dann aber doch immer etwas weiter nach Südwesten und dann wieder etwas Richtung Hirschberg. Auch da stieg es immer noch recht schön, und so kam ich richtig ins Fliegen. Es war wunderschön, Freiheit pur und die Leichtigkeit des Schwebens hatte mich wieder. Tief einatmen und einfach Weiterkreisen, mal links, mal rechts herum, immer schön zentrieren und den Faden gerade zu mir. Auch den Rat von Guido Halter, (einer der vielen sehr guten und erfahrenen Fluglehrer die wir bei uns haben) ich solle doch ruhig auch mit einer stärkeren Neigung kreisen, nahm ich mir zu Herzen und stach so richtig mutig in die Kurven. Immer wieder den Blick auf den Instrumenten, stellte ich nun eine Höhe von knapp 2‘000 ASL fest.

Ab auf Reise
Also, auf geht’s links an Gais vorbei Richtung Appenzell, in die Region Grossspitz. Gut aufpassen und die Augen offen halten ist hier sehr wichtig, denn am Kronberg, der Ebenalp und am Hohen Kasten sind auch Gleitschirmflieger unterwegs. Selber auch Gleitschirmflieger, war mir bewusst, dass Abstandhalten wichtig ist. So blieb ich beim Grossspitz, flog absichtlich nicht in ihre Flugwege und beobachtete wie sie allesamt weit weg von mir vom Kronberg zurück zur Ebenalp flogen. Also kreuzten sich unsere Flugwege nicht und so konnten die Kreise ruhig weiter gezogen werden. Allerdings, anfangs ging es nur hinab und ich verlor einiges an Höhe. Schon befasste ich mich mit der Notwendigkeit  bald im Direktflug an den St.Anton zurückzufliegen, denn viel Höhe durfte nicht mehr vergeudet werden. Die Instrumente zeigten mir an, dass wenn noch 100 Meter verloren gingen, ich immer noch bei 800 Meter in Altenrhein ankommen würde. Das war schon knapp, denn mir viel  ein, dass mich die Biese vom Töni wegdrücken würde und mein Sinken im Lee wesentlich stärker sein wird als üblich. Also nichts wie weg von hier und mit dem besten Gleiten via Hirschberg zum St. Anton, war mein Entschluss.

Immer flexibel bleiben
Kaum auf Kurs, fliege ich aber überraschend direkt in eine Thermik, die heute offenbar nicht ganz da ist, wo ich sie aufgrund des Geländes und der Erfahrung erwartet habe. Mit einem Ruck geht es zuerst 2 Meter pro Sekunde hoch und hinten wieder 1 m/s runter. Gut, jetzt einfach nur schön zentrieren, eine saubere Kurve fliegen, den Faden immer gerade zu mir und schon ging es bald gleichmässig mit 1.5 Metern hoch. So musste ich mir also keine Sorgen mehr machen, allenfalls nicht mehr über den Töni zu kommen und Wolfhalden zu erreichen. Denn auch jetzt dachte ich immer noch daran an den St.Anton zu fleigen, aber einfach mit etwas mehr Marge. Es ging aber immer weiter hoch und die Gleitschirmflieger flogen weit weg von mir Richtung Ebenalp. Die Ebenalp wurde immer kleiner unter mir und der Säntis kam langsam ins Blickfeld, das schöne Öhrli davor. Da sah ich plötzlich einen Schlepp mit Segelflieger vor dem Säntis. Wer ist denn das? Ich ging an den Funk, nur leider kam keine Antwort. Jetzt hatte ich schon eine Höhe von 2‘400 ASL und es reitzte mich sehr, dem Kollegen am Säntis Gesellschaft zu leisten. Planänderung und ab zum Säntis im direkten Flug. Auf etwa 2‘200 kreiste ich westlich vom Säntis über der Schwägalp nach links ein, weil der Kollege auch links drehte und ich mit recht viel Abstand vom Berg die Thermik links von mir vermutete. Nach kurzer Zeit war ich schon auf 2‘600 und flog von den Wolken weg in Richtung Südwesten, etwa Stockberg. Weil es aber da nur sank hielt ich die Richtung nicht lange und überlegte schnell, ob ich wohl an der Südseite des Säntis vorbei, via Altmann oder aussen herum Wildhuser Schofberg an die Kreuzberge fliegen sollte, denn dort, so wusste ich, kann es auch um diese Zeit noch steigen. Allerdings ist der Thermikansatz schon ziemlich hoch um diese Zeit und es ist schon weit hinauf recht warm, denn der Wind hat in der Höhe auch schon auf Süden gedreht. Etwas tiefer würde ich sogar im Lee der Biese fliegen und so war ich mir sicher, dass das keine gute Idee sein würde. Also wage ich das nicht und fliege auf dem direkten Weg mit grossem Abstand zu den Wolken die an den Klaviertasten hängen, etwa in der Mitte vom Lehmental, zurück Richtung Altenrhein. Ich will die Ebenalp weit links umfliegen möglichst noch etwas Steigen mitnehmen und dann links am Hohen Kasten vorbei. Das gelingt gut, ich kann viel Höhe mitnehmen und am Kasten finde ich wieder Thermik. Ja gut, dann drehe ich nochmals ein, mache Höhe und weit unter mir am Sigel soaren noch die Gleitschirmflieger. Da fällt mir ein, wenn ich nun mit dieser Höhe einen kurzen Abstecher zur Stauberen Kanzel mache um dort nachzusehen, ob doch noch ein wenig Thermik um diese Zeit anliegt, dann komme ich im Gleitflug locker wieder an den Kasten zurück. Allerdings war mir schon klar, dass mein Vorhaben etwas kühn ist und dass dort um diese Zeit noch Thermik liegt, wäre eher eine Überraschung gewesen. Ich wollte aber die Bestätigung, flog hoch über dem Grat mit praktisch keinem Höhenverlust bis zur Kanzel und weil es dort nicht stieg, kehrte ich sofort um und kam auf fast gleicher Höhe am Kasten wieder an. Also genoss ich hier noch ein wenig die Aussicht und war recht zufrieden mit dem Flugtag. Jetzt muss ich ja nur noch zum Töni gleiten und schon melde ich mich beim Flughafen an, war meine Überlegung.

Gegenwind
Ich wähle den Weg über den Fähnerenspitz,  Hirschberg und rechts am Gäbris vorbei zum St. Anton. Ich rechne noch kurz im Kopf, dass ich etwa auf 750 Meter über den Abbauraum komme und vorher aber den St.Anton 1‘100 noch locker schaffe.
Statt dass jetzt aber die Geschichte langsam zum Ende kommt, beginnt sie jetzt erst recht wieder von vorne, nur etwas anders und fast Alles in umgekehrter Richtung. Ich verliere schon am Fähnerenspitz ziemlich Höhe, die Biese ist im Appenzellerforderland wohl noch stärker als ich dachte. Eigentlich wusste ich das, denn oft weht der Wind in der Höhe schon von Süd und unten hat es noch Biese aus Nordosten. Ich halte den Blick Richtung Töni und merke, dass dieser und zugehöriger Grat eher steigt statt sinkt. Hoffentlich finde ich am Hirschberg noch wenig Thermik, geht mir durch den Kopf, sonst werde ich die Krete wohl nicht mehr überfliegen. Am Hirschberg sangen die Flügel meines Astir leider die gleichen Lieder und der Anton hatte immer noch keine Lust sich nach unten zu bewegen. Innerlich begann es mir so langsam zu dämmern, dass es wohl nicht so laufen würde wie gedacht. Jetzt musst Du kühlen Kopf bewahren und das Beste daraus machen. Also flog ich an die Honegg und hoffte bei der Hochspannungsleitung doch noch links am Anton vorbei nach Heiden durchschlüpfen zu können. Ich war aber schon viel tiefer als sonst zusammen mit Markus Hösli,  Kurt Sauter und Guido Halter (meine Fluglehrer) und ich war mir sicher, dass es ein viel zu grosses Risiko gewesen wäre diesen Flugweg zu wagen. Ich hätte dort kaum irgendwo landen können, denn ich kenne das Gelände um Heiden sehr gut. Also rechts am Anton vorbei, knapp 50 Meter höher als die Krete Richtung Osten, aber im Lee. Bei Fegg schaute ich wieder einmal etwas genauer nach links und überlegte, aber wirklich nur ganz kurz, ob ich da wohl durchkomme und doch noch den Flug nach Walzenhausen schaffe. Nein, das mache ich nicht, denn ich sehe nur Hügel und Wälder vor mir. Wie ich schon beim Hohen Hirschberg erstmals leise ahnte, kam die Gewissheit einer Aussenlandung immer näher. Ich gab einen Funkspruch an meine Kollegen, dass ich Altenrhein wahrscheinlich nicht erreichen werde. Sie antworteten natürlich nicht, denn ich war schon zu weit hinter den Hügeln, sodass eine Funkverbindung nicht mehr möglich war. Da ging mir durch den Kopf, was denn nun meine Kollegen in Altenrhein denken werden. Ach welche Schmach, der Depp hat es vermasselt, die Situation falsch eingeschätzt. Und auf die Hinweise des Fluglehrers Raphael Wicky, die Biese sei nicht zu unterschätzen, habe ich Trottel auch nicht gehört. Doch, ich wusste es schon, aber dass es mich auf dem Flugweg vom Kasten bis Töni derart runterspühlen würde, hätte ich doch nicht gedacht. „Ah, wärest Du doch nur beim Kasten früher weggeflogen, dann wärest Du jetzt schon lange im Endanflug Altenrhein“. Nun aber bereits bei Bechtenrüti, 750 ASL, schaue ich doch noch kurz nach St.Margrethen. Nein, auch das ist keine gute Lösung, da reicht mein Gleitwinkel bei weitem nicht um den Flugplatz zu erreichen. Und ob bei Rheineck eine Wiese zu finden oder gar zu erreichen wäre? 

Entschlossen handeln
Jetzt keine Zeit mehr verlieren, sofort alle Konzentration zusammennehmen, auf die Aussenlandung vorbereiten, denn eine gute Landung am rechten Ort zur rechten Zeit ist jetzt das Allerwichtigste. Ich gebe nochmals den Funkspruch ab, dass ich in Heerbrugg aussenlanden werde. Kurz meldet sich Rainer Ender am Funk. Er fliegt wohl irgendwo über mir und sieht mich. Seinen ruhigen Zuspruch nehme ich gerne an und er kommt zum Glück genau zur rechten Zeit. Es gilt nun also Entscheid um Entscheid der Reihe nach zu fällen und entschlossen umzusetzen. Was jetzt wohl kommen wird? Ich schaue nach rechts, fliege zuerst mal über die Stadt Heerbrugg hinweg Richtung Wiesland. Bei einer Sportanlage sehe ich eine schöne Wiese, rechts davon die Bahnschinen, frisch geheut, und der Bauer ist gerade daran die Maden zusammen zu nehmen. Links davon hat es noch genügend Platz und er fährt mit seinem Ladewagen gerade von der Wiese weg. Sie sieht zwar von oben etwas klein aus, der Wind weht eher von Südwesten her, also das Rheintal herunter. Am oberen Ende der Wiese, im Südwesten steht eine grosse Sporthalle fast über die ganze Breite. Ich entscheide also von Nordosten in den Landeanflug zu gehen. Da sehe ich aber noch einen grossen Baukran auf der anderen Seite vor der Wiese. Hindernisse sind schliesslich da um sie zu überwinden. Ich entscheide höher in den Gegenanflug zu gehen. Ich mache das, fliege über der Sporthalle durch, ich habe noch 250 Meter AGL, ziehe nach links in den Gegenanflug, genau parallel zur visualisierten Landerichtung. Jetzt plane ich hoch in den Queranflug zu gehen und will mit genügend Zeit ganz genaue 90 Grad Kurven fliegen. Ich will den Kran sicher überfliegen und will hoch bleiben um dann etwas steiler auf den Aimingpoint zu steuern. So mache ich es dann auch, gehe in den Queranflug, mache das genauso wie gedacht, fliege nach links die letzte Kurve in den Landeanflug, sehe dass ich hoch genug bin, ziehe nun die Bremsen und das Höhensteuer und ziele mit dem Gleitwinkel genau hinter den querverlaufenden Feldweg vorne in die Wiese hinein. Nun achte ich auf die Geschwindigkeit, kann sie gut und gleichmässig auf 90 km/h halten und der Gleitwinkel ist genau so, dass ich den Kran sicher und mit Abstand überfliege. Nun schaue ich nur noch auf den Zielpunkt, der Kran geht etwa 50 Meter unter mir durch und ich beginne ein wenig flacher zu fliegen, denn so steil kann ich ja nicht auf die Wiese zufliegen. Aber zu flach darf ich dann auch wieder nicht kommen, sonst fliege ich zu weit und hinten ist ja noch die grosse Sporthalle, also definitiv das Ende der Wiese. Also weiter auf den Zielpunkt halten, Geschwindigkeit halten und dann eben 15 Meter über Boden langsam abflachen, sauber und gerade aufsetzen und dann voll in die Bremsen. Ich komme 150 Meter vor der Halle zum Stillstand. Es war die sanfteste Landung die ich bisher mit dem Astir geschafft habe. Sehr zufrieden halte ich einen Moment inne, steige aus und empfinde innere Freude, schaue kurz zurück auf den wunderschönen Flug mit der doch rechten Herausforderung zum Schluss. 

Einen lieben Dank gilt natürlich Hans, Martin und Lukas. Sie werden nämlich von Rainer informiert und holen mich und den Astir mit dem Anhänger wieder zurück nach Altenrhein. Die Segelflieger sind wirklich spezielle Menschen. Sie helfen einander, stehen sich mit Rat zur Seite, geben ihre wertvollen Erfahrungen weiter. Ich meinerseits darf noch viel lernen bis zum brevetierten Segelflugpiloten und freue mich schon jetzt auf weitere spannende, interessante und auch genussvolle Flüge. 

Steinach, 18.06.2019, Andreas Graf, Segelflugschüler der SG Säntis, Altenrhein